Eine Frauenstimme kreischt durch die Lautsprecher der Schwimmhalle: „Ende der Badezeit ist in 45 Minuten!“
Das Becken liegt ruhig und mit spiegelglattem Wasser da. Die Liegestühle ringsherum sind schon verlassen, niemand schwimmt mehr und nur das Rauschen der Pumpe ist zu hören.
Ein junger Mann, Mitte zwanzig, unscheinbar, betritt die Szene. Mit ernstem Blick tritt er an den Beckenrand, als würde es um die langersehnte Goldmedaille gehen – ein richtiger Schwimmer.
Ordentlich stellt er seine Badeschlappen an den Beckenrand. Aus einem Etui nimmt er seine verspiegelte strahlend weiße Schwimmbrille und legt das Etui perfekt ausgerichtet auf seine Schuhe.
Im Wasser reinigt er die Gläser gründlich mit Spucke. Ein verbissener prüfender Blick – noch nicht sauber.
Kleine Wellen zeichnen sich auf der Wasseroberfläche ab.
Mehrmals setzt der junge Mann die Brille auf und wieder ab, justiert, putzt. Es vergehen gut zehn Minuten. Er atmet tief ein, ich halte die Luft an. 100 Meter Brust – wie ein Pfeil wird er durch das Wasser schießen.
Zielsicher taucht er ins Blaue. Ich suche das Becken ab, bestimmt wird er in der Beckenmitte mit langen Zügen auftauchen.
Fast da, wo er gestartet ist, ploppt der Kopf des Schwimmers wieder an die Oberfläche. Er holt Luft, taucht unter. Irgendwie kommt er nicht vom Fleck und seine Füße platschen jedes Mal seltsam aus dem Wasser. Das Wasser kräuselt sich irritiert.
Vielleicht braucht er noch einen Moment, um in den Flow zukommen, denke ich.
Doch nach zwei Bahnen klammert er sich schnaufend an den Beckenrand. Time out – disqualified. Ich verlasse etwas enttäuscht meinen Liegestuhl.