Kurzgeschichte

Der Handwerker

Handwerker

Im Haus ist es noch ganz still und verschlafen. Nur das leise Gurgeln der Kaffeemaschine ist unten in der kaum beleuchteten Küche zu hören. In der Ferne rauschen die Frühaufsteher über die Autobahn. Wenn man wirklich lauscht, dann kann man sogar das Ticken des großen Zeigers wahrnehmen, der sich schwerfällig zur Zwölf quält, während der Kleine ihm voraus jahgt. Draußen ist es noch stockfinster. Die leicht pink- und rotfarbenen Schlieren der ersten Sonnenstrahlen lassen den Morgen nur erahnen.

„Guten Morgen Schatz. Hast du gut geschlafen?“, sagt sie. Das Frühstück steht schon für ihn auf dem Tisch, als er in die Küche kommt. Mit einem festem Griff, setzt er den Becher an und trinkt einen großen Schluck Pfefferminztee. Ein herzhafter Biss vom Brötchen folgt. Es ist dick mit Leberwurst beschmiert und landet gleich wieder neben den Apfelstücken auf dem Frühstücksbrett. 

Im Flur zieht er den Reißverschluss seiner Fleecejacke zu und inspiziert kurz die Flecken auf Brust und Ärmeln. Zeugen einer harten und dreckigen Arbeit. Den Werkzeuggürtel schnallt er heute lockerer um, sieht besser aus. Alle Werkzeuge stecken in ihren Schlaufen: Hammer, Schraubendreher, Zollstock, ein dicker Bleistift. Die Werkzeugkiste mit Bohrer, Schrauben und Dübeln steht schon an der Tür.

Er wirft noch einen Blick in den Spiegel, setzt den gelben verschrammten Baustellenhelm auf und springt in die schweren Sicherheitsstiefel. Unter den Sohlen klebt noch dick die Erde aus der letzten Baugrube. Die Hände gleiten schnell in die neuen Arbeitshandschuhe. Noch ganz sauber und in frischen Farben.  Dann öffnet er die Tür und ruft in die Stille: „Los Mama, ich muss in den Kindergarten!“

Die Geschichte „Der Handwerker“ war mein Beitrag für den damaligen #shortstorydienstag von der geschätzten Kollegin Ira Laudin und M. D. Twist zum zum Thema „Wartehalle“.