Interview

Fundstück: Farin Urlaub im Interview

Farin Urlaub

Ein Fundstück aus längst vergangenen Zeiten. Damals im Sommer 2005, durfte ich Farin Urlaub in Bremen interviewen. Der Gitarrist der Die Ärzte war damals solo mit dem Farin Urlaub Racing Team unterwegs. Wir sprachen über sein da aktuelles Album „Am Ende der Sonne, Die Ärzte, die Foo Fighters und das Gebläse der The Busters.

Schön dich zu sehen und vielen Dank für deine Zeit.

Farin Urlaub: Gern. Wie gehts denn?

Danke, gut geht es, auch wenn es echt warm ist.

Farin Urlaub: Ach, geht. Wir haben in Hamburg gespielt, da war es so unfassbar heiß. War richtig cool, nur in der Halle hat es Schweiß geregnet… Bäh!

Das klingt ekelhaft. Und wie gehts selbst, wie läuft die Tour so bisher?

Farin Urlaub: Sehr gut gehts. Es läuft viel besser, als ich dachte.

Ich hab so die ersten Kritiken gelesen… viele fanden die Konzerte nicht lustig, denen fehlte der gewohnte Die Ärzte-Humor.

Farin Urlaub: Das ist ja auch nicht lustig, aber guck mal… Ich bin ja nicht DIE ÄRZTE 2. Das wäre ja Quatsch. Es schreiben mir auch manchmal Leute, die es glaube ich wirklich nicht verstehen wollen: „Warum spielt der denn so wenig lustige Stücke und warum macht der denn so wenig Ansagen?“ Da denke ich: Ja, aber das gibt es doch alles schon. Dann müsste ich ja keine extra Band machen. Aber zum Glück sind das nur wenige. Nur sind die wenigen ja meistens laut. Das sind die, die den ganzen Tag im Internet hängen.

Also die Konzerte laufen richtig super. Nicht nur von den Zuschauerzahlen her – heute ist nun mal nicht ausverkauft, wir sind auch spät umgezogen [Konzert sollte im Bremer Aladin stattfinden] – aber sonst läuft alles gut.

Ich glaub, in Bremen liegt das auch an der unglaublich hohen Arbeitslosigkeit. Wir haben auch mit den Ärzten immer Probleme. Bremen hat vielleicht die Hälfte der Größe von Hamburg und wir spielen hier vor weniger als dem Viertel der Leute. Ich glaub nicht, dass es daran liegt, dass die uns nicht leiden mögen. (lacht)

Ja, hier spielen tatsächlich wenige gute beziehungsweise große Bands.

Farin Urlaub: Hey, was willst du denn damit sagen?! Oh!… Schon so spät? (alle lachen) Im Ernst, die Konzerte machen richtig Spaß und laufen richtig gut.

Ein Gerücht: Nach dieser Tour ist Schluss mit dem Racing Team.

Ja, klar. Wie oft haben Die Ärzte sich jetzt schon aufgelöst? (lacht) Nein, nicht wahr. Wahrscheinlich wissen die, die das behaupten, auch schon, wie mein nächstes Album heißt.

Also ist das Farin Urlaub Racing Team für dich viel mehr als nur ein Projekt auf Zeit?

Farin Urlaub: Nee, Projekte mache ich nicht. Projekte mag ich nicht. Projekte sind doof.

Na, vom rein musikalischen Aspekt her würde ich dann auch eher Die Ärzte auflösen.  

Farin Urlaub: Dankeschön. Wobei, ich darf ja gar nicht Dankeschön sagen, ich spiele ja bei beiden Gitarre und singe. Ich habe jetzt schon oft so Sachen gehört wie: „Was ist den besser? Vergleich mal.“ Das kann man halt nicht.

Musikalisch hast du jetzt mit dem Racing Team auf jeden Fall mehr Freiheiten.

Farin Urlaub: Komischer Weise nicht. Also mehr Freiheit als bei den Ärzten kann man eigentlich gar nicht haben. Was ich habe, ist für mich der große Unterschied, ich habe ein kleines Orchester auf der Bühne. Ich kann live viel mehr machen. Live liegen die Qualitäten der Ärzte ganz wo anders. Was ja offenbar auch von ein paar Leuten vermisst wird. Eben dieses Anarchistische und Spontane.

Das mit dem Racing Team wird nicht so spontan sein. Die Stärke vom Racing Team liegt meiner Meinung nach darin, dass du halt wirklich ’ne Wand von der Bühne schicken kannst. Wall of Sound – und das find ich geil. Und ich frag mich natürlich auch selbst: Wo mit will ich irgendwann mal alt werden, mit „Der lustige Astronaut“ oder lieber mit „Sonne“? Ich überlass dir jetzt mal die Antwort. (lacht)

Danke. Dein neues Album „Am Ende der Sonne“ klingt, verglichen mit „Endlich Urlaub!“, völlig anders. Nicht mehr nach einem Ego-Trip des Die Ärzte-Gitarristen, sondern nach etwas komplett Eigenem.

Farin Urlaub: Ja, die Erste war ja eigentlich ursprünglich noch anders geplant. Sollten ja eigentlich wirklich nur die Songs sein, die es eben nicht zu den Ärzten geschafft haben. Bei denen ich aber der Meinung war, dass die zu schade sind, um sie wegzugeben. Da hab ich jetzt immer noch 80, glaub ich zu Hause. Also Songs, die ich immer noch veröffentlichungswert finde. Unveröffentlichte hab ich noch viel mehr. Angeber!

Dann hab ich aber ziemlich schnell gemerkt, dass mich das schon nicht befriedigt und habe irgendwas aufgenommen. Deswegen erklärt sich auch, warum auf dem ersten Album so Stücke wie „Der Kavalier“ neben „…Und die Gitarre war noch warm“ und dann „Ok“ stehen. Der Song „Ok“ war eigentlich schon das erste Mal, dass ich im Studio dachte: Das würden Die Ärzte überhaupt nicht nehmen, aber das macht mir total Spaß.

Und dann haben wir das live gespielt und es hat total funktioniert und – also jetzt die Kurzversion: Der Gedanke war: Wenn ich ein zweites Soloalbum mache, soll es mehr wie eine Band klingen und mehr Richtung „Ok“ gehen. Ohne das jetzt noch mal zu kopieren und ich finde, ich hab das über weite Strecken geschafft. Die Band hatte ich ja beim ersten Album noch gar nicht.

Durchaus. Und viel Foo Fighters gehört…

Farin Urlaub: Stimmt, aber nicht nur Foo Fighters, auch Pries und ähm, was war noch sehr viel? Also es sind so einig Bands, Weezer natürlich.“

Also Foo Fighters hört man direkt. Sorry, aber an die dachte ich zumindest zuerst, als ich vorhin im Auto schon wieder dein Album hören musste.

Farin Urlaub: (kuckt böse, lacht dann) Das tut mir sehr leid. Naja, die Parallelen sind ja auch irgendwie nicht von der Hand zuweisen: Kommt von einer Band, macht noch ne andere, zwei Solo-CDs… Was ich tatsächlich mag bei den Foo Fighters: Ich trau mich jetzt seit diesem Album auch Stücke zu schreiben, die eigentlich nicht funktionieren. Einfach, weil sie nicht die herkömmlichen Songstrukturen haben. Und das machen die Foo Fighters auch öfter, das finde ich ganz geil.

…Und halt vom Sound her.

Farin Urlaub: Ja, der hat eine geilere Stimme als ich. Er kann halt brüllen, das kann ich immer noch nicht so richtig. Also kann ich auch, aber dann bin ich halt heiser.

Da sagst du was. Ich finde, dein Gesang ist sehr viel besser geworden, ohne jetzt hier Komplimente machen zu wollen.

Farin Urlaub: Der hat sich aber schon bei der vorletzten Ärzte-Tour total gebessert. Da habe ich selbst gemerkt, dass ich jetzt anfange zu singen. Ernsthaft. (lacht) Weiß ich jetzt auch nicht, wie das kam. Ich meine diese Dezember Tour vor anderthalb Jahren.

Hast du Gesangsunterricht genommen?

Farin Urlaub: Ich hatte ja mal vor vielen Jahren Gesangsunterricht. Da ging es aber eher darum, dass ich immer nach zwei Konzerten heiser war. Und da habe ich gelernt, wie ich halt nicht heiser werde. Aber so richtig gut singen… Ich hab mich nie getraut, so totalen Ausdruck reinzulegen. Es gibt ein paar Ausnahmen, aber so grundsätzlich war ich immer schüchtern.

Schüchtern, ausgerechnet du? Jetzt hör aber mal auf.

Farin Urlaub: Ja, ja, ausgerechnet ich. Ich weiß. Aber nach dieser Dezember-Tour, war alles was ich danach eingesungen habe so: Uaaaaahhhh!

Herr Urlaub, bleiben Sie bitte ernst.

Farin Urlaub: Man darf doch auch lügen in Interviews oder nicht? (lacht)

Das kannst du bei der Konkurrenz machen. Zurück zum neuen Album, das ist verglichen mit dem ersten auch ziemlich ernst geworden? In vergangenen Interviews hast du noch betont, über ernste Dinge nicht singen zu wollen. Woher der Sinneswandel?

Farin Urlaub: Ja, ich darf doch auch mal älter werden oder? Jetzt gibt’s halt ernste Sachen wie Selbstmord, Tod und so. 

Wie kamst du denn auf die Idee, die charmanten Bläser der The Busters in den Hintergrund der Stücke zupacken?

Farin Urlaub: Ja, das war natürlich eine intellektuelle Vorgehensweise. (alle lachen) Ich wollte, dass die in der Band mehr tun, ich wollte die Keyboards vermeiden. Ich wollte aber auch ungewöhnliche, ja was weiß ich Soundcollagen oder Klangstrukturen, das klingt so langweilig, aber ich wollte, das es anders klingt. Und dann das erste Mal – also die waren zwei Mal bei mir für ein paar Tage. Beim ersten Mal haben sie halt die normalen Bläsersätze gespielt, was man halt kennt.

Dann hatte ich das Album fertig aufgenommen, hatte die Sängerinnen mal da, um bei ein paar Stücken noch Chöre drauf zu machen. Und dann gab es noch vier oder fünf Stücke, wo ich die Bläser gebeten habe, noch mal zu kommen. Da haben sie dann untypische Sachen gespielt und ich finde das funktioniert total. Man hätte das auch mit extremen Gitarrensounds machen können, aber das hätte man niemals live umsetzen können.

Und so haben wir halt einen Vorteil, wie zum Beispiel am Schluss von „Immer noch“. Für das, was die da spielen, dafür würde niemand extra Bläser auf die Bühne holen. Da sind im Hintergrund irgendwelche komischen Flächen die die Harmonien noch mal verbreitern. Da die, dass im Studio gemacht haben und dann sowieso hier rumhängen, können sie sich auch ihr Essen verdienen. Sie spielen viel mit, das ist ganz geil. Das macht mir Spaß. Und in der Richtung wird noch viel mehr passieren, auf einem nächsten Album, wenn ich denn nicht vorher die Band auflöse. (alle lachen)

Interessieren dich überhaupt noch Plattenkritiken? Wie zum Beispiel: „…nicht so gut wie Die Ärzte, aber er erleichtert den Fans die Wartezeit auf das nächste Ärzte-Album…“ oder „…der Berufsjugendliche…“, „…Dusche…lustig wie immer…“ etc.

Farin Urlaub: Ganz ehrlich? Klingt jetzt superarrogant, aber da kann ich so was von drüber stehen. Was mich wirklich getroffen hätte, wenn das Album sich schlecht verkauft hätte und die Leute, die es gekauft haben, dann geschrieben hätten: „Ist echt scheiße.“ Aber, das Gegenteil war der Fall. Also es hat sich überraschend viel verkauft und verkauft sich immer noch – und die Zuschriften, die ich kriege, sind halt auch gut. Teilweise sagen Leute: „Du hast in meine Seele gekuckt.“ Und das ist jetzt tatsächlich anders als wenn Die Ärzte solche Texte schreiben, das berührt die Leute offenbar viel mehr. Das hat mich auch selbst beim Singen und beim Schreiben mehr berührt und das finde ich sehr schön.

Also, du siehst das teilweise auch. Bei manchen Stücken haben die Leute echt Tränen in den Augen. Das ist schon schön. Das heißt jetzt nicht: Komm zu Farin Urlaub und heul dich mal so richtig aus. (lacht) So soll’s nie werden! Aber ich finde so etwas wichtiger, als wenn ich die Erwartungen eines Kritikers nicht erfülle. Die sind oft nicht so flexibel. Die haben sich mit dem ersten Album abgefunden, jetzt kommt das Zweite und ich wage es ganz anders zu sein. Das kann ja nur scheiße sein.

Der Song „Unsichtbar“ fällt vom Sound her allerdings ein bisschen aus dem Rahmen.

Farin Urlaub: Ja, finde ich auch. Bin ich tatsächlich auch nicht so glücklich mit. Das einzige Stück auf dem Album, wo ich mit dem Mix nicht richtig glücklich bin. Das habe ich auch drei Mal aufgenommen, weil ich bei den Aufnahmen auch so… das hat nicht 100%ig hingepasst. Das ist ein Nachteil, wenn man ein Stück mal live gespielt hat. Tatsächlich. Sowohl du als Zuhörer, als auch ich als Musiker.

Ich habe immer diesen Live-Sound im Ohr gehabt und konnte den aber alleine im Studio nicht imitieren. Dazu muss ich ja echt alles gleichzeitig spielen. Aber es klingt auch live, wir spielen es heute Abend, es klingt wieder so, wie es eigentlich klingen sollte. War ein Fehler. Mache ich wahrscheinlich nicht noch mal, dass ich ein Stück erst ein Jahr lang live spiele und dann versuche aufzunehmen. Ich mag es aber, wenn man Stücke entdecken kann.

Nach welchen Kriterien entscheidest du, welcher Song ein Die Ärzte-Song und welcher ein Solo-Song wird?

Farin Urlaub: Geschmack. Aber ich weiß es schon von vorn herein. Also wenn das Stück quasi da ist, dann weiß ich schon: das ist für Die Ärzte – das ist für Solo. Da redet mir auch keiner rein. Ich hab einen Fehler gemacht, „Die Instrumente des Orchesters“ hätte ich super gerne mit dem Racing Team gespielt, muss ich echt sagen. Aber da war noch nicht abzusehen, dass ich mal ein Soloalbum mache. Das ist wirklich das einzige Stück, wo ich sage: Fuck.

Leihen ist auch nicht drin?

Farin Urlaub: Nee, da gibt es eine ganz strickte Trennung. Das geht nicht. Wenn ich damit anfange, würden die Leute wirklich irgendwann anfangen mit „Ärzte-Ärzte“-Rufen und das will ich gar nicht. Gestern gab es einen einzigen Zwischenruf, den ich gehört habe.

Bisher musstest du eher von dir als Person erzählen als von deinem neuen Album. Das ist schade.

Farin Urlaub: Es gab schon ein paar, aber die waren dann halt in irgendeiner Stadtzeitung in Bremen oder so was. Aber das ist halt jetzt der Journalismus. Das ist mir auch erst hinterher aufgefallen. Offenbar war ich für die Leute als Promi interessant und nicht dadurch, dass ich ein zweites Soloalbum gemacht habe. Leiter wollten sie mir eben so Promi-Fragen stellen. Ich fand es ehrlich gesagt auch merkwürdig. Das Galore-Interview hat mir schon Spaß gemacht, auch das in der Berliner Zeitung. Das waren auch sehr ähnliche Themen. Einige Interviews in Musikmagazinen fand ich allerdings völlig überflüssig, dafür hätte ich mich nicht mit denen treffen müssen. War ein bisschen albern.

Und gerade in Musikmagazinen erwartet man doch Album-bezogene Fragen.

Farin Urlaub: Ja, aber ich glaube wirklich, dass die davon ausgegangen sind, dass es halt sowieso keinen interessiert. Und wenn, dann nur dieser Ärzte-Zusammenhang. Andererseits wissen sie aber, wenn auf dem Titel Farin Urlaub steht, verkaufen sie mehr Zeitschriften. Deswegen müssen sie mich irgendwie drin haben.

Wirklich? Die brauchen dein Gesicht?

Farin Urlaub: Geil was? Genau! (lacht) Also das ist jetzt keine Arroganz oder Einbildung von mir. Es geht ja tatsächlich immer nur um Zahlen. Ich hab mich auch gewundert, wer teilweise ein Interview mit mir machen wollte.

Zurück zu den Konzerten. Macht dir dein Publikum nicht manchmal Angst, wenn die Sprechchöre ausufern. Denkst du nicht auch mal: Ups, die würden jetzt alles mitmachen?

Farin Urlaub: Nee, im Gegenteil. Ich finde, man muss das benutzen, um den Leuten selber klar zu machen, was sie da gerade tun. Damit es nicht wieder so anfängt und sie empfänglich sind für Leute, die das ausnutzen.

Es gab schon so einige Momente, die ich bedenklich fand.

Farin Urlaub: Ja, in Dresden! Die zweite Dresden-Show, da hab ich irgendwie so eine Frage gestellt und die haben mit „Ja!“ geantwortet. Da hab ich gesagt: „Das heißt nicht: Ja!, das heißt: „Sir, ja Sir!“. Da haben dann wirklich zweitausend Leute aus einem Mund: „Sir, ja Sir!“ Da hat sich die Band echt erschrocken und ich auch. Das war echt militärisch und ein wenig unheimlich.

Ja eben. Bei einem Die Ärzte-Konzert hier in Bremen hast du das Publikum den rechten Arm heben lassen, weil unweit die Onkelz gespielt haben. Das war schon sehr grenzwertig.

Farin Urlaub: Hast du mal „Masse und Macht“ gelesen, von Elias Canetti? Der Grund, warum man sich bei uns so sorglos gehen lassen kann, meiner Meinung nach ist, dass wir halt wirklich klar gemacht haben, wofür wir stehen oder wofür wir nicht stehen oder wogegen wir stehen. Und deswegen kannst du ruhig einen Teil deiner Vorsicht bei uns fallen lassen, aber alles darfst du natürlich nie fallen lassen. Dazu kannst du das Publikum eigentlich bringen, wenn du immer unmöglichere Sachen forderst. Jetzt gestern in Hamburg: Da hab ich sie natürlich eine La-Ola machen lassen, ganz normal. Dann die Geräusch-La-Ola und dann die Geräusch-La-Ola rückwärts und alle machen mit. Das war schon echt lustig.

Arnim vom den Beatseaks konnte das toppen. Er hat das Publikum gefragt: „Habt ihr ’nen Stock im Arsch?“ Tausend Leute haben daraufhin ohne nachzudenken Ja!’ gebrüllt.

Farin Urlaub: Echt? Geil. (lacht) Ja, Hauptsache man brüllt. Das erklärt dieses Buch halt ganz gut.

Wenn du mal so zurückschaust, wären wir jemals in den Genuss deiner Soloalben gekommen, wenn Bela B. dich in dem MTV-Interview 1999 quasi nicht unter Zugzwang gesetzt hätte?

Farin Urlaub: Wahrscheinlich nicht. Aber… sicher bin ich nicht. Es hat mich schon ziemlich lange frustriert, dass ich so viele Stücke habe, die einfach nie rauskommen. Das suche ich mir ja gar nicht mal so sehr aus. Die fallen mir halt einfach ein. Das muss irgendwie raus. Und wenn ich dann irgendwann so da sitze… Vielleicht hätte ich dann irgendwann so eine 5-fach Box gemacht. „The Unreleased Tapes“.

Nein! Und so ist es mir schon lieber. Außerdem toure ich halt unheimlich gerne und Die Ärzte touren nicht genug für meinen Geschmack. Und jetzt muss ich auch schon sagen, dass das Racing Team für meinen Geschmack nicht genug tourt, hehe. Das liegt aber auch an den Zuschauerzahlen. Wir können nicht mehr spielen. Wenn wir jetzt die Tour vorbei haben, dann haben uns auch alle gesehen, die uns sehen wollten.

Naja, aber viele kommen doch auch gerne mal öfter.

Farin Urlaub: Gar nicht. Ich war wirklich überrascht. Also ich bin auch eigentlich davon ausgegangen. Ich kenn das ja von den Ärzten. Ich hab gestern nach dem dritten Hamburg-Tag mal gefragt: Wer war bei der zweiten und ersten Show schon da? Da haben sich so 25 Leute gemeldet. Ups, ich hab halt wie immer mit der Hälfte gerechnet. Und das fand ich schon ganz geil, also oder vielleicht auch nicht.

Bei den Ärzten kommt es ja auch auf dieses ganze Drumherum an, nicht nur auf die Musik. Mittlerweile gibt es doch sicher auch viele, die wirklich nur Fan vom Farin Urlaub Racing Team sind.

Farin Urlaub: Ja, sind schon ein paar. Das ist lustig. Also ich gehe eigentlich davon aus, dass es fünf Jahre dauern wird, bis die Leute uns ernst nehmen. Also gegebenenfalls verlang ich das. Davon haben wir jetzt mal gerade drei um. Das dauert noch, aber ich bleib dabei. Auf jeden Fall macht es mir echt Spaß.

Das klingt gut. Und jetzt gibt es erst mal ein Livealbum?

Farin Urlaub: Ja! Das haben wir relativ spontan entschlossen. Also so kurz vor der Tour haben wir darüber geredet. Klingt natürlich erst mal nach einem totalen Rip-Off, es gibt ja erst zwei Alben und dann jetzt schon ein Livealbum…

Live klingen die Stücke halt einfach anders. Die sind ganz anders arrangiert. Jetzt beim zweiten Album nicht mehr so extrem, aber alle Stücke vom ersten Album haben wir echt umgekrempelt. Das ist der eine Grund, dann spielen wir viele B-Seiten und auch diesen Hidden-Track, den man ja noch nie gehört hat. Das Livealbum ist einfach ein ganz schönes Dokument. Mehr soll es auch nicht sein. Es kommt deswegen auch nicht zum Weihnachtsgeschäft raus, sondern einfach so. Wird irgendwann nächstes Frühjahr erscheinen. Ich habe auch noch keinen Titel. Das nächste Studioalbum werde ich in jedem Fall mit der Band aufnehmen, nicht mehr alleine. Wir sind jetzt auch richtig eingespielt.

Das fällt auf, deine Band ist nicht mehr so nervös und es groovt.

Farin Urlaub: Ja, das ist jetzt alles gar nicht mehr. Gestern haben die mich zum ersten Mal so richtig an die Wand gequatscht. Aber so richtig! Da dachte ich nur so: Ok, jetzt kommt bitte das nächste Lied. (alle lachen) Das ist geil. Und trotzdem will ich natürlich nicht, dass es so eine Kopie von dieser Ärzte-Show wird. Also wir spielen auch fünf, sechs Stücke ohne jede Ansage hintereinander weg und die Leute drehen trotzdem durch, das ist ganz geil. Und wir haben auch einfach Spaß.

Du hast ein Lied mit Olli Schulz und seinem Hund Marie aufgenommen oder zumindest den Hintergrundgesang beigesteuert? 

Farin Urlaub: Ja nee, also Olli Schulz hat ein Lied gehabt, das war schon fertig und ich hab wirklich nur so „Lalala“ gemacht – man hört es kaum.

Ich dachte, Hamburger Schule ist nicht so dein Ding?

Farin Urlaub: Ist er Hamburger Schule?

Meinen Informationen nach schon.

Farin Urlaub: Er hängt mit den Leuten rum, das stimmt und er verteidigt sie auch immer vor mir, weil ich immer sage: Uaaah nee… Er hat mir letztes Mal auch ganz viele CDs mitgegeben. Hab ich kurz rein gehört: Nee…

Ist der Song denn schon erschienen?

Farin Urlaub: Das „beige Album“? Also ich glaube nicht. Ich hab so eine Vorabgeschichte gekriegt, aber ich will, dass er mir noch die richtige zuschickt. Gestern war er beim Konzert, ich konnte ihn nur nicht sehen, weil ich danach ziemlich schnell abgehauen bin.

Hast du noch was Spannendes zu erzählen?

Farin Urlaub: Nö also, was Spannendes zu erzählen? Icke? Also was soll ich sagen? Es macht wirklich Spaß. Also wirklich.

Und wie kamst du darauf, die Sonne so negativ zu belegen?

Farin Urlaub: Gerade ich. Das war wahnsinniger Egoismus, das musste sein.

Das musste sein?

Farin Urlaub: Musste sein.

Na gut: scheiß Sonne. (alle lachen)

Dann bis gleich und vielen Dank für das Interview.

Farin Urlaub: Ich Danke ebenso, hat mir echt Spaß gemacht.“

[Foto: Olaf Heine]

Website: www.farin-urlaub.de