kleinstadtzuhälter

Der Kleinstadtzuhälter

Freiburg war an einem Tag durch, das Schwabentor hatte mir gefallen und die Universitätsbibliothek ebenso. Ich hatte im Straßencafé gesessen und war über das Freiburger Bächlein gehüpft. Mein Hotelzimmer war winzig und die graue Tapete ließ es noch winziger erscheinen. Ich wäre gut beraten, zu schreiben, aber mir fiel nichts und wieder nichts ein. Bis auf ein paar Krickelein blieb das Blatt leer. Also fuhr ich ein bisschen rum, um meinen Kopf zu lüften. In Denzlingen hielt ich an einem Restaurant, der Biergarten sah ganz ok aus, wirkte ein bißchen in die Jahre gekommen, war aber gut gefüllt.

Ich saß ebenso auf der Festzeltbank, um nicht mit ihr umzufallen. Mit der Spitze meines rechten Schuhs kratzte ich gelangweilt eine Linie in den staubigen Sandboden, ließ meinen Blick immer wieder über die Hänge des Schwarzwalds schweifen oder beobachtete die anderen Gäste. Vor mir stand ein Glas Weinschorle und außer diese zu trinken, hatte ich heute keine weiteren Ziele. Die kalte Schorle ließ außen am Glas Tropen entstehen, die herunter krochen und sich auf dem Tisch einen kleinen Teich zusammentaten.

„Ist hier noch frei?“, fragte eine tiefe Männerstimme. Der Typ stellte sich als Nuckel vor und kniff die Augen zusammen, um mich gegen die Sonne zu sehen. Die Falten zwischen Nase und Mund erzählten von einem bewegten Leben. Er saß kaum, da hob er zu einem wehmütigen Monolog über seine Dobermann-Hündin an. Die Polizei hatte sie ihm vor einigen Wochen weggenommen und er vermisste sie. „In meinen Händen wird jedes Tier zur Waffe, haben die gesagt,“ und fügte zischend hinzu: „Die Wichser haben mir verboten Hunde zu halten.“

Er wischte mit dem Zeigefinger unter seiner Nase entlang als hätte er Sorge man könnte noch Spuren einer Koks-Line sehen und fummelte aus einem seiner abgewetzten Cowboystiefel eine Packung Streichhölzer. Noch einmal wischte er unter der Nase lang und nippte an der Sprite, die er sich zwischenzeitlich bestellt hatte. Die Zigarette zauberte er aus dem anderen Stiefel und zündete sie an. Was für ein Freak und was für ein bescheuerter Name.

Mein Blick fiel auf seine Unterarme und die Narben, die das hochgekrempelte, blau-weiße Flanellhemd freigab. Nuckel bemerkte es und fragte mich, ob ich mir vorstellen könne, wie es sich anfühlt, wenn eine Kugel in den Körper eindringt. Ich trank einen Schluck meiner Schorle und drehte das Glas angespannt auf dem Tisch hin und her. Er saß am anderen Tischende und redete nicht unbedingt leise. Dennoch schien keiner der Gäste an den Nachbartischen seinem Monolog zu folgen.

„Äh, nein. Ich kann mir das glaube ich nicht vorstellen,“ erwiderte ich. Im ersten Moment täte es gar nicht weh, aber es würde schon recht ekelig nach verschmortem Fleisch riechen. Der Typ erzählte davon, als wäre es das Normalste von der Welt, angeschossen zu werden, und deutete auf die zwei großen Narben. Wischte sich mit dem Finger unter der Nase lang und zeigte er mir eine an der rechten Schulter. All die anderen Schrammen kämen von Messerstechereien. „Offensichtlich ein bewegtes Leben,“ fiel es aus mir heraus. Oh man, war ich dämlich. Unbeeindruckt meines Kommentars sprach Nuckel weiter. Bevor er sich im Scheinwerferlicht der Ordnungshüter etwas bedeckter halten musste, war er in Köln als Zuhälter unterwegs gewesen.

Ich fragte ihn, warum er mir das alles erzählte. Er rutsche auf seiner Bank so weit rüber, bis er direkt vor mir saß und sein jetzt eiskalter Blick schien mir durch meine Augen die Hinterkopfplatte zu gravieren. „Du siehst so aus, als bräuchtest du eine Idee,“ sagte er, wie eine Drohung klingend und legte das Geld für seine Sprite auf den Tisch. Er stand auf und schnippte seinen Zigarettenstummel auf den Boden, um ihn mit der rechten Stiefelspitze in den Sandboden zu mahlen. Dann trat er ab. In meiner Vorstellung ritt er mit seinem Gaul davon. In Wirklichkeit knatterte er mit einem schäbigen, metallicgrünen VW vom Parkplatz.

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Jana Böhm

Freie Journalistin und Autorin

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