Interview

Im Gespräch mit Schauspielerin Suzanne Bernert

In Indien wird sie auf der Straße erkannt, bei uns ist die gebürtige Detmolderin, die im Allgäu aufwuchs, noch unbekannt. Seit 17 Jahren lebt Suzanne Bernert in Indien und spielte seitdem in diversen TV Shows und Filmen mit. Unter anderem konnte man sie als Sonia Gandhi in dem indischen Politdrama „The Accidental Prime Minister“ sehen.

Sie sind als deutsche Schauspielerin nach Indien ausgewandert, wie kam es zu dieser Entscheidung?

Suzanne Bernert: Ich war mit meinem Engagement am Theater in Neu-Ulm fertig und war in Dubai. Dort habe ich eine Ausschreibung zu einem Online-Casting gesehen. Ich habe mich  gemeldet, den Regisseur getroffen, eine Rolle bekommen, den Film gedreht und dadurch viele Leute kennengelernt. Das Land, die Sprache und die Menschen, ich habe mich einfach gleich wohl gefühlt.

Ein Freund von mir ist in der Produktion, kümmert sich darum, wo und wann gedreht wird, organisiert die Plätze und teilweise auch die Schauspieler. Der erzählte mir, dass ein Regisseur, der für seinen Film jemanden für eine kleine Rolle sucht. Ich dachte: Ja, das ist toll für mein Showreel. Jetzt habe ich schon den Film und dann noch eine kleine Rolle und dann gehe ich zurück nach Berlin. So der Plan. Dann habe ich den Regisseur kennengelernt, wir haben uns gut verstanden. Durch ihn habe ich viele Schauspieler aus Film und Fernsehen kennengelernt.

Im Dezember 2004 war ich gerade drei Monate wieder in Deutschland, da rief er mich an und sagte, dass er eine Rolle in seiner Fernsehshow für mich habe, und er hätte mich gerne dabei. So wurde ich die erste ausländische Schwiegertochter im indischen Fernsehen, in einer Hit-Show wie die Lindenstraße. Meine Wohnung in Berlin habe ich noch ziemlich lange behalten und erst Ende 2005 aufgelöst, als ich sicher war, dass ich bleibe. 2006 kam dann eine riesen Show, die war ein Superhit. In die bin ich dann reingerutscht und habe auch meinen ersten Film gedreht.

Eine Schauspielkarriere in Indien war also gar nicht von vornherein geplant?

Suzanne Bernert: Nein, gar nicht. Man hat ja so gewisse Ideen. Ich habe vorher mal in Südkorea und Taiwan gelebt, aber Indien… Ich hatte immer so ein Bauchgefühl: Wenn ich jemals nach Indien gehe, wird sich mein Leben ändern. Noch heute erinnern mich Freunde daran, dass ich das gesagt habe.

Wie sieht die indische Film- und Fernsehlandschaft aus? In Deutschland denkt man wahrscheinlich erstmal an Bollywood-Filme.

Suzanne Bernert: Ja. Doch das muss man fast schon als Nische bezeichnen. Bollywood ist sehr stereotypisch, da sind einfach bestimmte Bausätze wie Tanz, Musik und eine bestimmte Liebesgeschichte oder Comedy dabei. Dazu dreht man in einer tollen Location. Das sind so diese stereotype Geschichten, aber es gibt sehr viel mehr in Indien. Es gibt zum Beispiel die verschiedenen Sprachen, in denen gedreht wird. Das nennt sich ’Regional Cinema’. Du hast Bengali, das ist eine ganz andere Ecke als Bollywood. Da kommt zum Beispiel Satyajit Ray her. Der war ein ganz berühmter Filmemacher und der hat damals ganz tolle Schwarzweißfilme gemacht. Aus dieser Ecke kommen ganz viele Kunstfilme. Die machen eine ganz andere Art Kino.

Hier in Mumbai und im gesamten Bundesland Maharashtra wird Marathi gesprochen und eben auch in der Sprache gedreht. Hier werden eher kleinere Filme gemacht, aber man hat hier immer das Gefühl, man dreht mit Familie. Es ist alles sehr eng, immer bringt jemand Essen mit. Es ist eine ganz andere Art und Weise und eben eine sehr schöne Art zu drehen. Weniger Geld, aber dafür sehr viel andere Dinge, wie zum Beispiel große Popularität.

Ich habe 2008 mal einen Film gemacht, für den werde ich immer noch auf der Straße erkannt. Hier in Maharashtra haben sie Lavani, ein ganz anderer Tanz. Man kann durch alle Bundesländer gehen und in fast jeder Landessprache gibt es zumindest Fernsehen, oft auch Filmeund alle haben durch die Sprache und durch die etwas andere Kultur, ihre bestimmten Stile. Quasi immer ein anderes Gewürz sozusagen.

Besitzt Indien eine Theaterkultur?

Suzanne Bernert: Oh ja, ich habe meinen Mann im Theater kennengelernt. Hier in Mumbai gibt es zum Beispiel das Prithvi Theater. Es wurde 1978 und die haben hier mit vier Gruppen angefangen, in einer war zum Beispiel Omi Puri, der später internationaler Schauspieler geworden ist. Es ist ein sehr schönes und kleines Theater. Mit der Theaterszene wird es allerdings immer schwieriger. Damals war es schon schwer Sponsoren zubekommen und jetzt ist das Ganze in den Händen von großen Firmen, die dann gern nur mit Stars arbeiten. So, wie man das kennt, dass Leute zusammen kommen und gemeinsam Theater machen, wird immer schwieriger.

Ohne Sponsoren können sich viele Theaterleute es sich nicht leisten ein Stück zu produzieren. Ich habe keine zwei bis fünftausend Euro, die ich mal eben in eine Produktion investieren kann, bei Ticketpreisen zwischen zwei und fünf Euro. Das rentiert sich nicht. Das Theater ist so teuer, nicht die Schauspieleroder das Bühnenbild. Es ist der Ort, an dem ich auftreten möchte, dazu kommt, dass man dort dann nicht proben kann. Das ist eine Sache, die ich sowieso nicht verstehe. Man muss sich etwas anderes für die Proben anmieten, in das entsprechende Theater kommt man nur an dem Abend der Vorstellung.

Das ist eigentlich wie Tournee-Theater. Man kann nicht richtig vor Ort arbeiten, so wie ich das zum Beispiel noch aus Ulm gewohnt bin, wo wir im Theater geprobt haben, Sachen absprechen konnten. Hier ist vieles spontaner und improvisiert. Das merkt das Publikum aber nicht.

Suzanne Bernert – Wie eine deutsche Schauspielerin in Indien erfolgreich wurde

Suzanne Bernert

Wie laufen Castings in Indien ab? Gibt es eher Online-Castings?

Suzanne Bernert: Ich habe keine Vergleichsmöglichkeiten, da ich in Deutschland nie an einem Casting teilgenommen habe. Meine ganze Karriere hat sich bisher hier abgespielt. Aber Covid hat auf jeden Fall in Richtung Onlinecastings gedrückt. Vorher war es so, dass man angerufen und zu einem Vorsprechen eingeladen wurde. Was man hier nicht macht, man bekommt den Text, den man vorsprechen soll nicht vorab.

Bei mir hat mein Manager sich dahinter gehängt. Ich musste das Ganze ja in Hindi sprechen und es war für mich schon gut, den Text dann auch vorher zu kennen. Vor Ort ist es laut, du hast ganz viele Leute um dich rum und dann sollst du den Text in einer fremden Sprache sprechen, das ist schwer. Ich persönlich finde, dass Onlinecasting einen Vorteil hat.

Ich glaube viele haben gemerkt, dass sie sich damit Zeit, Energie und Geld sparen, wenn sie das die Schauspieler selber machen lassen. 2018 gab es auf jeden Fall einen Ruck zu mehr online. Mein Mann und ich sind es mittlerweile gewöhnt, die Sachen selber zu machen. Und beim Onlinecasting kriegt man natürlich auch vorher den Text. Man kann sich Zeit lassen, ausprobieren, die Passagen durchgehen, in Ruhe drehen und das Make-up sitzt.

Arbeitet man mit einem Agenten bzw. einer Schauspielagentur zusammen?

Suzanne Bernert: Das ist ein ziemlich unorganisiertes Feld. Es gibt viele Privatleute die casten, es gibt Agenturen die casten, es gibt Manager, die auf einen aufpassen. Es gibt ein riesen Casting-Buch, in dem alle möglichen Adressen drin sind, von Regisseuren, Produzenten etc. Da habe ich mir 2010 einen Manager rausgesucht.

Ich habe ganz viele angeschrieben und er war der, der sich zurückgemeldet hat. Er verhandelt aber mehr das Geld und passt auf, wie man dich am Set behandelt, also eher noch old-fashioned ist. Früher hieß das auch Sekretär und nicht Manager. Er ist halt keiner, der jetzt losgeht und Arbeit für einen sucht. Ich werde direkt von Leuten angerufen, angeschrieben, angesprochen. Die Leute kommen auf einen zu, wenn sie eine bestimmte Rolle haben, in die man reinpassen würde.

Haben Sie Tipps für junge Kolleg:innen, die in Indien Fuß fassen wollen?

Suzanne Bernert: Am besten sollte man schon vorher ein bisschen Hindi sprechen. Die Rollen sind halt so angelegt, dass man oft auch in der Sprache drehen muss. Es gibt mittlerweile sehr viel online. Es gibt Agenturen, die auf Ausländer spezialisiert sind, darüber bekommt man normalerweise aber nur kleinere Rollen. Es hat sich so viel geändert. Auf jeden Fall muss man sich vorher informieren, wie das zum Beispiel mit der Arbeitserlaubnis aussieht. Zu meiner Zeit hat man einen Sponsor gebraucht, der für einen unterschreibt, damit man ein Visum bekommt. Im Großen und Ganzen muss man offen sein für die Möglichkeiten und darf sich nicht im Preis drücken lassen. 

Kann man als Schauspieler:in von seiner Arbeit leben?

Suzanne Bernert: Man bekommt viel weniger als in Deutschland, aber man lebt hier ja auch ganz anders und braucht weniger Geld. Ehrlich gesagt, machst du eine Menge Kohle. Du kannst an einem Tag so viel verdienen, wie andere Leute in einem halben Jahr nicht verdienen. Anders als in Deutschland, aber ja, leben kann man davon.

Wie sieht ein typischer Dreh aus? Gibt es einen Unterschied zu Sets und Drehs in Deutschland?

Suzanne Bernert: Ich kann tolle und verrückte Geschichten über ganz vieles erzählen, was schon schief gelaufen ist. Sicher ist, dass die Leute sehr warmherzig sind. Wenn man zum Beispiel in einer Fernsehshow arbeitet, wird das Team irgendwann wie eine große Familie. Mein Tipp: Mach die Friseuse und den Make-up-Menschen zu deinen Freunden, denn die passen auf dich und deine Sachen auf. Ein normaler Tag am Set: Du kommst morgens an und kriegst erstmal einen Tee in die Hand gedrückt, dann gehst du in deinen Wagen, dann kommen Make-up und Haare, Kostüm und Skript.

Das Skript ist so eine Sache. Im Devnagiri (Hindi Alphabet) gibt es verschiedene ’T’s, was man bei Druckbuchstaben nicht erkennt. Da hilft mir zum Glück mein Mann. Drehtage sind hier Minimum 12 Stunden und wenn eine Show neu ist und man hat eine der Hauptrollen, wirbelt man von einer Szene zur anderen. Es ist dann oft sehr schwierig, etwas auszuprobieren und umzusetzen. Beim Film gibt es nur ein oder zwei Szenen am Tag. Film und Werbung sind eher ein gehobener Standard, tägliches Fernsehen ist wieder etwas anderes.

Kehren Sie irgendwann zurück nach Deutschland?

Suzanne Bernert: Zurückkehren wohl eher nicht, da arbeiten schon mal gerne. Ich würde gerne mal in meiner eigenen Sprache drehen.

Website: www.crew-united.com/de/Suzanne-Bernert_477293.html

[Fotos: Shashank Bhalerao]

Interview

Im Gespräch mit Volker Helfrich

Schauspieler Volker Helfrich spielte in Deutschland in verschiedenen TV- und Teatherproduktionen mit. Der Erfolg wollte sich nicht einstellen und da er sich schon eine Zeitlang für China interessierte, packte er seine Sachen und ging. Er lernte Mandarin in Wort und Schrift und  erfüllte sich seien Schauspieltraum im Reich der Mitte. Seit 2020 lebt und arbeitet Volker Helfrich wieder in Deutschland.

Sie sind 2006 nach China gegangen und haben dort in vielen chinesischen Film- und Fernsehproduktionen mitgespielt. Wie kam es dazu?

Volker Helfrich: Bevor ich nach China ging, habe ich Boulevard-Theater gespielt und vielleicht noch die Hälfte mit Schauspielerei verdient. Um über die Runden zu kommen, habe ich Bühnenbau gemacht und Großveranstaltungen auf- und abgebaut. Durch einen alten Freund bin ich dann ins Modelgeschäft geraten. Chinesisch, diese Schrift hat mich schon als Jugendlicher fasziniert und war für mich das Fremdeste, was man sich vorstellen konnte. Damals war China auch noch ein absolutes Land des Unbekannten und ich hatte wohl auch immer eine romantische Vorstellung davon, mich im Fremden zurechtzufinden.

Als ich 2006 nach China kam, fing ich in Peking in einem Fotostudio an. Ich hatte mir aber insgeheim vorgenommen, so gut Chinesisch zu lernen, dass ich als Schauspieler weiterarbeiten konnte. Das war im Endeffekt die beste Idee, die ich je hatte. Ich bekam damals für ein Jahr eine Art Studentenvisum und recht schnell die erste Rolle in einer Fernsehserie. Das war noch nichts allzu Großes, aber es waren doch mehrer Drehtage und meine erste Erfahrung, wie dort TV-Serien gedreht werden. 

Wie sieht die chinesische Film- und Fernsehlandschaft aus? Welchen Einfluss hat die Politik?

Volker Helfrich: Anders als wir das kennen. Es gibt nur Staatsfernsehen, keine privaten Sender. Alles muss abgesegnet werden. Deswegen sind Fernsehserien in China immer abgeschlossene Erzählungen und große epische Dramen. Die ersten zehn Jahre habe ich hauptsächlich in Serien und Filmen mitgespielt, in denen die Japaner die Bösen waren. Das ist jetzt schon wieder von der Liste gestrichen, weil es politisch nicht mehr passt. Man konzentriert sich mittlerweile eher auf den Koreakrieg. Die Erinnerungskultur besteht in China aus Heldengeschichten des Bürgerkriegs und der Kommunisten und das natürlich mit allem Pathos.

Die Rollen sind oft sehr plakativ geschrieben. Das war aber für mich als Schauspieler aber eine tolle Sache, da es eine große Rollenvielfalt gibt und man relativ leicht positiv auffallen kann. Wenn man da nicht aufpasst, dann wirkt man in einer so plakativ klischeehaften Rolle natürlich einfach lächerlich. Beim Dreh ist immer ein Supervisor da, es gibt eine Vorzensur und zum Schluss eine Endabnahme. Parteimitglieder gibt es ja genug, da sind sicher immer welche zur Beaufsichtigung am Set. Das ist auch im Sinne der Produktion, um spätere Änderungen zu vermeiden. Zeitreisen seit eh und je nicht erlaubt, um die Leute nicht auf falsche Gedanken zubringen.

True Crime gibt es, da zeigen sie die Polizei im Einsatz und wie hoffnungslos es ist, sich etwas Böses auszudenken. Aber Krimis, wie wir sie kennen, gibt es nicht. Mittlerweile kommen viele Korea-Sachen raus, die natürlich auch mit der aktuellen politischen Lage zu tun haben. Die politische Seite ist etwas, was immer viel größer ist als das, was man in den Griff kriegen kann.

Wie laufen Castings in China ab? Unterscheiden sie sich von der hiesigen Vorgehensweisen?

Volker Helfrich: Auch in Deutschland gibt es mittlerweile viele E-Castings, auch E-Live-Castings. Die finde ich super, also wenn man wirklich mit jemandem interagiert. In China kann man von Glück reden, wenn es mal ein ordentliches Casting gibt, wo geschaut wird, ob jemand mit der Rolle umgehen kann. Wo mit einem Schauspieler und einem Text vor der Kamera ausprobiert wird. Das ist leider selten. Im Grunde genommen schauen Regieassistenten, ob jemand brauchbar ist und dann geht es ums Geld und wie viel man da abzwacken kann. Man arbeitet mit Leuten, die man kennt und kann so beim nächsten Mal mehr verlangen. Als Ausländer hat man da noch einen Marktvorteil, den ich natürlich genutzt habe.

Ist es schwierig, als Schauspieler:in in China, abgesehen von der Sprache, Fuß zu fassen?

Volker Helfrich: Es gibt viele, die können so ein bisschen Chinesisch und sprechen Englisch, aber es muss passen. Was ich alles im Hintergrund vor einem Dreh mit den Leuten besprechen musste, war für mich drei Mal anstrengender als der Dreh selbst. Im Vergleich zu Deutschland hat man in China viel mehr Druck. Die Drehbücher sind ganz anders. Die vielen weißen Stellen, wo man sich mal Notizen machen kann, gibt es nicht. Oft sind die Serienbücher fast in Blocksatz geschrieben. Da muss man den Dialogtext erstmal verschiedenfarbig markieren, damit man überhaupt einen Überblick bekommt.

Ich habe immer nur Szenen gelesen, in denen meine Rolle vorkam, das komplette Ding habe ich dann von einem Kollegen lesen lassen, um zu wissen, an welcher Stelle meine Szenen vorkam. Man muss da für sich selbst ein System finden. Die Arbeitsbedingungen dort sind schon heftig. Mir hat es zum Teil gerade deswegen dann Spaß gemacht, weil ich komplett in die Arbeit eintauchen konnte. Das ist halt China und das Resultat ist aber dann oft doch sehr ansehnlich. 

„Man muss sich im Klaren sein, dass das Ganze kein Abenteuerspielplatz ist.“ – Volker Helfrich

Wie sieht es an einem chinesischen Set aus? 

Volker Helfrich: In China gibt es in jeder Provinz eigene Studiogelände. Außer moderne Dramen kann man ja vor Ort nichts drehen. Historisches muss im Studio entstehen. Eine Serie hat 30 Folgen à 50 Minuten, die in der Regel innerhalb von 100 Tagen abgedreht werden. Das ist ein enormes Pensum. Es herrscht ein militärischer Kommandostyle und es wird viel rumgebrüllt. Mir hat es auf jeden Fall geholfen, dass ich auch in Deutschland schon alle möglichen wilden Produktionssachen miterlebt hatte.

Der Druck und die Arbeitsbedingungen sind alles andere als Hollywood. Die Hotels sind teilweise superbeschissen, die hygienischen Bedingungen sind schlecht, es gibt das schlimmste Essen. Der Druck in China und die Situationen, die da auftreten können, das gibt es bei uns so nicht und trotzdem wird da durchgearbeitet und mit Problemen umgegangen. Man muss für sich Wege finden, wie man da halbwegs gesund durchkommt, kann man sagen. 

Wie ist das Miteinander unter den Schauspielern? Muss man aufpassen, mit wem man redet?

Volker Helfrich: Es ist sowieso so, dass es ein sehr oberflächliches Zusammensein ist. Man spricht nicht über Privates. Im richtigen Rahmen kann man sich auch mal kritisch äußern, so ist es nicht. Man braucht jetzt nicht versuchen meinungsbildend aktiv zu werden, aber auch in China lässt sich das soziale Netzwerk nicht komplett kontrollieren. Das hat man bei der knappen Versorgungslage durch Corona gesehen. Es ist aber auch Quatsch, da auf China zu zeigen, wenn wir gleichzeitig alle unsere Daten freiwillig großen Firmen geben. Ich habe fast 15 Jahre in China verbracht, da stellt man fest, dass die Menschen dort genauso sind wie wir hier auch. 

Werden die chinesischen Kolleg:innen an Schauspielschulen ausgebildet?

Volker Helfrich: Ja. Die sind sehr gut ausgebildet. In China kommen viele Schauspieler aus einem gesicherten Bereich. Die sind entweder beim Militär oder der Polizei als Staatsbeamte und dort dann Teil einer Künstlergruppe. Beim Dreh verdienen sie einfach über einen Agenten privates Geld. Um das Zahlen der Steuern kümmert sich dann angeblich ihr Management, die machen das natürlich nicht unbedingt. Eigentlich haben die in China im Vergleich ein super Steuerrecht. Prozentual ist es wenig, was ich an Steuern bezahlen musste, vielleicht 20 Prozent. Die finanzielle Unsauberkeit ist in China allerdings quasi ein Geschäftsmodell, da wird viel gemauschelt. 

Gibt es Schauspieleragenturen wie in Europa? 

Volker Helfrich: Nein, leider nicht. Es gibt Agenten, die halt Kontakte zu ein, zwei großen Produktionsfirmen haben und die verschachern. Die bringen einen in das Filmgeschäft und ohne die kommt man da auch nicht rein. Dadurch ist man für die ersten Jahre allerdings auch nur für wenige Produzenten verfügbar.

So ein Agent macht mit dem Schauspieler einen Vertrag, oft handelt es sich um eine Art Abtretungsvollmacht. Damit ist er dann für einen bestimmten Zeitraum zeichnungsberechtigt. Was für Verträge er abzeichnet, erfährt man nicht. Der echte Vertrag steht quasi im Hintergrund und generiert das Geld. Der Schauspielervertrag ist im Prinzip nur Schatten, der taucht auch nirgends auf. Der Schauspieler bekommt einen gewissen Anteil, aber die Summe, die wirklich umgesetzt wird, erfährt er nicht.

Kann man denn als Schauspieler von seiner Arbeit leben?

Volker Helfrich: Ja, ich konnte es und musste Gott sei Dank nichts anderes machen. Obwohl ich auch eine Zeitlang Autoshows moderiert habe. Das wurde gut bezahlt. Aber ich war froh, dass ich nur als Schauspieler arbeiten musste und Rollen oder Leute ablehnen konnte. Irgendwann war ich zum Glück auch unabhängig, denn es gibt keinen Agenten, mit dem man auf Dauer sauber arbeiten kann.

Für die Vermittlung einer Rolle habe ich meiner Agentin 20 Prozent meines Bruttolohns gezahlt. Zwei, drei Jahre später waren das 30 Prozent, die ich cash abgedrückt habe. Das ist zu viel. Ansonsten sind Schauspieler in China mittlerweile durch die Streamingdienste noch viel stärker in der Werbung und der Monetarisierung eingebunden. Das ist nicht schön, aber man kann ja im Moment froh sein, wenn man überhaupt Arbeit bekommt. 


Haben Sie einen Rat für Kolleg:innen, die den Schritt nach China wagen wollen?

Volker Helfrich: Man muss sich im Klaren sein, dass das Ganze kein Abenteuerspielplatz ist. Leider empfinden das viele so und werden gerne unter diesem Aspekt angelockt. Viele unterschreiben einen Vertrag, ohne zu wissen, worauf sie sich einlassen. Ich kann nur empfehlen, sich zu informieren, mit wem man zu tun hat. Man sollte sich mit allen, die das schon länger machen auszutauschen. Die Schauspielerei ist in China ein komplett grauer Bereich und es ist wichtig, eine gewisse Erfahrung zu haben, um zu wissen, dass in China vieles anders läuft, als man das aus Deutschland kennt.

Sie haben kürzlich eine Mini-Serie für das ZDF gedreht, wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?

Ich hatte dieses Jahr meinen ersten Drehtag wieder in Deutschland. Und ich muss sagen, ich habe doch Blut geleckt. Ich habe in China so viele Katastrophen erlebt, das war zum Lernen super. Im Moment ist es so viel angenehmer, in Deutschland zu arbeiten. Ich würde auch gerne wieder am Theater spielen, das hat mir auch in China sehr gefehlt. Ich schaue mal, was sich ergibt.

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