Schauspieler Volker Helfrich spielte in Deutschland in verschiedenen TV- und Teatherproduktionen mit. Der Erfolg wollte sich nicht einstellen und da er sich schon eine Zeitlang für China interessierte, packte er seine Sachen und ging. Er lernte Mandarin in Wort und Schrift und erfüllte sich seien Schauspieltraum im Reich der Mitte. Seit 2020 lebt und arbeitet Volker Helfrich wieder in Deutschland.
Sie sind 2006 nach China gegangen und haben dort in vielen chinesischen Film- und Fernsehproduktionen mitgespielt. Wie kam es dazu?
Volker Helfrich: Bevor ich nach China ging, habe ich Boulevard-Theater gespielt und vielleicht noch die Hälfte mit Schauspielerei verdient. Um über die Runden zu kommen, habe ich Bühnenbau gemacht und Großveranstaltungen auf- und abgebaut. Durch einen alten Freund bin ich dann ins Modelgeschäft geraten. Chinesisch, diese Schrift hat mich schon als Jugendlicher fasziniert und war für mich das Fremdeste, was man sich vorstellen konnte. Damals war China auch noch ein absolutes Land des Unbekannten und ich hatte wohl auch immer eine romantische Vorstellung davon, mich im Fremden zurechtzufinden.
Als ich 2006 nach China kam, fing ich in Peking in einem Fotostudio an. Ich hatte mir aber insgeheim vorgenommen, so gut Chinesisch zu lernen, dass ich als Schauspieler weiterarbeiten konnte. Das war im Endeffekt die beste Idee, die ich je hatte. Ich bekam damals für ein Jahr eine Art Studentenvisum und recht schnell die erste Rolle in einer Fernsehserie. Das war noch nichts allzu Großes, aber es waren doch mehrer Drehtage und meine erste Erfahrung, wie dort TV-Serien gedreht werden.
Wie sieht die chinesische Film- und Fernsehlandschaft aus? Welchen Einfluss hat die Politik?
Volker Helfrich: Anders als wir das kennen. Es gibt nur Staatsfernsehen, keine privaten Sender. Alles muss abgesegnet werden. Deswegen sind Fernsehserien in China immer abgeschlossene Erzählungen und große epische Dramen. Die ersten zehn Jahre habe ich hauptsächlich in Serien und Filmen mitgespielt, in denen die Japaner die Bösen waren. Das ist jetzt schon wieder von der Liste gestrichen, weil es politisch nicht mehr passt. Man konzentriert sich mittlerweile eher auf den Koreakrieg. Die Erinnerungskultur besteht in China aus Heldengeschichten des Bürgerkriegs und der Kommunisten und das natürlich mit allem Pathos.
Die Rollen sind oft sehr plakativ geschrieben. Das war aber für mich als Schauspieler aber eine tolle Sache, da es eine große Rollenvielfalt gibt und man relativ leicht positiv auffallen kann. Wenn man da nicht aufpasst, dann wirkt man in einer so plakativ klischeehaften Rolle natürlich einfach lächerlich. Beim Dreh ist immer ein Supervisor da, es gibt eine Vorzensur und zum Schluss eine Endabnahme. Parteimitglieder gibt es ja genug, da sind sicher immer welche zur Beaufsichtigung am Set. Das ist auch im Sinne der Produktion, um spätere Änderungen zu vermeiden. Zeitreisen seit eh und je nicht erlaubt, um die Leute nicht auf falsche Gedanken zubringen.
True Crime gibt es, da zeigen sie die Polizei im Einsatz und wie hoffnungslos es ist, sich etwas Böses auszudenken. Aber Krimis, wie wir sie kennen, gibt es nicht. Mittlerweile kommen viele Korea-Sachen raus, die natürlich auch mit der aktuellen politischen Lage zu tun haben. Die politische Seite ist etwas, was immer viel größer ist als das, was man in den Griff kriegen kann.
Wie laufen Castings in China ab? Unterscheiden sie sich von der hiesigen Vorgehensweisen?
Volker Helfrich: Auch in Deutschland gibt es mittlerweile viele E-Castings, auch E-Live-Castings. Die finde ich super, also wenn man wirklich mit jemandem interagiert. In China kann man von Glück reden, wenn es mal ein ordentliches Casting gibt, wo geschaut wird, ob jemand mit der Rolle umgehen kann. Wo mit einem Schauspieler und einem Text vor der Kamera ausprobiert wird. Das ist leider selten. Im Grunde genommen schauen Regieassistenten, ob jemand brauchbar ist und dann geht es ums Geld und wie viel man da abzwacken kann. Man arbeitet mit Leuten, die man kennt und kann so beim nächsten Mal mehr verlangen. Als Ausländer hat man da noch einen Marktvorteil, den ich natürlich genutzt habe.
Ist es schwierig, als Schauspieler:in in China, abgesehen von der Sprache, Fuß zu fassen?
Volker Helfrich: Es gibt viele, die können so ein bisschen Chinesisch und sprechen Englisch, aber es muss passen. Was ich alles im Hintergrund vor einem Dreh mit den Leuten besprechen musste, war für mich drei Mal anstrengender als der Dreh selbst. Im Vergleich zu Deutschland hat man in China viel mehr Druck. Die Drehbücher sind ganz anders. Die vielen weißen Stellen, wo man sich mal Notizen machen kann, gibt es nicht. Oft sind die Serienbücher fast in Blocksatz geschrieben. Da muss man den Dialogtext erstmal verschiedenfarbig markieren, damit man überhaupt einen Überblick bekommt.
Ich habe immer nur Szenen gelesen, in denen meine Rolle vorkam, das komplette Ding habe ich dann von einem Kollegen lesen lassen, um zu wissen, an welcher Stelle meine Szenen vorkam. Man muss da für sich selbst ein System finden. Die Arbeitsbedingungen dort sind schon heftig. Mir hat es zum Teil gerade deswegen dann Spaß gemacht, weil ich komplett in die Arbeit eintauchen konnte. Das ist halt China und das Resultat ist aber dann oft doch sehr ansehnlich.
„Man muss sich im Klaren sein, dass das Ganze kein Abenteuerspielplatz ist.“ – Volker Helfrich
Wie sieht es an einem chinesischen Set aus?
Volker Helfrich: In China gibt es in jeder Provinz eigene Studiogelände. Außer moderne Dramen kann man ja vor Ort nichts drehen. Historisches muss im Studio entstehen. Eine Serie hat 30 Folgen à 50 Minuten, die in der Regel innerhalb von 100 Tagen abgedreht werden. Das ist ein enormes Pensum. Es herrscht ein militärischer Kommandostyle und es wird viel rumgebrüllt. Mir hat es auf jeden Fall geholfen, dass ich auch in Deutschland schon alle möglichen wilden Produktionssachen miterlebt hatte.
Der Druck und die Arbeitsbedingungen sind alles andere als Hollywood. Die Hotels sind teilweise superbeschissen, die hygienischen Bedingungen sind schlecht, es gibt das schlimmste Essen. Der Druck in China und die Situationen, die da auftreten können, das gibt es bei uns so nicht und trotzdem wird da durchgearbeitet und mit Problemen umgegangen. Man muss für sich Wege finden, wie man da halbwegs gesund durchkommt, kann man sagen.
Wie ist das Miteinander unter den Schauspielern? Muss man aufpassen, mit wem man redet?
Volker Helfrich: Es ist sowieso so, dass es ein sehr oberflächliches Zusammensein ist. Man spricht nicht über Privates. Im richtigen Rahmen kann man sich auch mal kritisch äußern, so ist es nicht. Man braucht jetzt nicht versuchen meinungsbildend aktiv zu werden, aber auch in China lässt sich das soziale Netzwerk nicht komplett kontrollieren. Das hat man bei der knappen Versorgungslage durch Corona gesehen. Es ist aber auch Quatsch, da auf China zu zeigen, wenn wir gleichzeitig alle unsere Daten freiwillig großen Firmen geben. Ich habe fast 15 Jahre in China verbracht, da stellt man fest, dass die Menschen dort genauso sind wie wir hier auch.
Werden die chinesischen Kolleg:innen an Schauspielschulen ausgebildet?
Volker Helfrich: Ja. Die sind sehr gut ausgebildet. In China kommen viele Schauspieler aus einem gesicherten Bereich. Die sind entweder beim Militär oder der Polizei als Staatsbeamte und dort dann Teil einer Künstlergruppe. Beim Dreh verdienen sie einfach über einen Agenten privates Geld. Um das Zahlen der Steuern kümmert sich dann angeblich ihr Management, die machen das natürlich nicht unbedingt. Eigentlich haben die in China im Vergleich ein super Steuerrecht. Prozentual ist es wenig, was ich an Steuern bezahlen musste, vielleicht 20 Prozent. Die finanzielle Unsauberkeit ist in China allerdings quasi ein Geschäftsmodell, da wird viel gemauschelt.
Gibt es Schauspieleragenturen wie in Europa?
Volker Helfrich: Nein, leider nicht. Es gibt Agenten, die halt Kontakte zu ein, zwei großen Produktionsfirmen haben und die verschachern. Die bringen einen in das Filmgeschäft und ohne die kommt man da auch nicht rein. Dadurch ist man für die ersten Jahre allerdings auch nur für wenige Produzenten verfügbar.
So ein Agent macht mit dem Schauspieler einen Vertrag, oft handelt es sich um eine Art Abtretungsvollmacht. Damit ist er dann für einen bestimmten Zeitraum zeichnungsberechtigt. Was für Verträge er abzeichnet, erfährt man nicht. Der echte Vertrag steht quasi im Hintergrund und generiert das Geld. Der Schauspielervertrag ist im Prinzip nur Schatten, der taucht auch nirgends auf. Der Schauspieler bekommt einen gewissen Anteil, aber die Summe, die wirklich umgesetzt wird, erfährt er nicht.
Kann man denn als Schauspieler von seiner Arbeit leben?
Volker Helfrich: Ja, ich konnte es und musste Gott sei Dank nichts anderes machen. Obwohl ich auch eine Zeitlang Autoshows moderiert habe. Das wurde gut bezahlt. Aber ich war froh, dass ich nur als Schauspieler arbeiten musste und Rollen oder Leute ablehnen konnte. Irgendwann war ich zum Glück auch unabhängig, denn es gibt keinen Agenten, mit dem man auf Dauer sauber arbeiten kann.
Für die Vermittlung einer Rolle habe ich meiner Agentin 20 Prozent meines Bruttolohns gezahlt. Zwei, drei Jahre später waren das 30 Prozent, die ich cash abgedrückt habe. Das ist zu viel. Ansonsten sind Schauspieler in China mittlerweile durch die Streamingdienste noch viel stärker in der Werbung und der Monetarisierung eingebunden. Das ist nicht schön, aber man kann ja im Moment froh sein, wenn man überhaupt Arbeit bekommt.
Haben Sie einen Rat für Kolleg:innen, die den Schritt nach China wagen wollen?
Volker Helfrich: Man muss sich im Klaren sein, dass das Ganze kein Abenteuerspielplatz ist. Leider empfinden das viele so und werden gerne unter diesem Aspekt angelockt. Viele unterschreiben einen Vertrag, ohne zu wissen, worauf sie sich einlassen. Ich kann nur empfehlen, sich zu informieren, mit wem man zu tun hat. Man sollte sich mit allen, die das schon länger machen auszutauschen. Die Schauspielerei ist in China ein komplett grauer Bereich und es ist wichtig, eine gewisse Erfahrung zu haben, um zu wissen, dass in China vieles anders läuft, als man das aus Deutschland kennt.
Sie haben kürzlich eine Mini-Serie für das ZDF gedreht, wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?
Ich hatte dieses Jahr meinen ersten Drehtag wieder in Deutschland. Und ich muss sagen, ich habe doch Blut geleckt. Ich habe in China so viele Katastrophen erlebt, das war zum Lernen super. Im Moment ist es so viel angenehmer, in Deutschland zu arbeiten. Ich würde auch gerne wieder am Theater spielen, das hat mir auch in China sehr gefehlt. Ich schaue mal, was sich ergibt.
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