Interview

Im Gespräch: Farin Urlaub

Foto: Olaf Heine

„Ich hoffe mal, ihr sitzt bequem, denn ich erzähl euch jetzt aus meinem wilden Leb’n…“

Farin Urlaub ist aktuell mit seinem bezaubernden Racing Team und seinem aktuellen Album „Am Ende der Sonne“ unterwegs. Gut gelaunt und braungebrannt lädt er mich vor seiner Show zu einer kleinen exklusiven Audienz in seine Garderobe ein.

Farin Urlaub, dein neues Album ‚Am Ende der Sonne‘ klingt verglichen mit ‚Endlich Urlaub!‘ überraschend anders. Viel weniger nach einem Egotrip des Die Ärzte-Gitarristen, mehr nach etwas komplett Eigenem.

Ja, das Erste war ja eigentlich ursprünglich noch anders geplant. Sollten ja eigentlich wirklich nur die Songs sein, die es eben nicht zu den Ärzten geschafft haben, wo ich aber der Meinung war, die sind zu schade, um sie wegzugeben. Davon hab ich jetzt immer noch 80 zu Hause, glaube ich. Also von denen, die ich immer noch veröffentlichenswert finde. Unveröffentlichte hab ich noch viel mehr. Na, und dann hab ich aber ziemlich schnell gemerkt, dass mich das schon nicht befriedigt, und habe dann irgendwas aufgenommen.

Deswegen erklärt sich auch, warum auf dem ersten Album so Stücke wie ‚Der Kavalier‘ neben ‚… und die Gitarre war noch warm‘ und dann ‚OK‘ stehen. Und bei ‚OK‘ dachte ich im Studio eigentlich schon das erste Mal: Das würden Die Ärzte überhaupt nicht nehmen, aber das macht mir total Spaß. Und dann haben wir das live gespielt und es hat funktioniert, und dann…

Also jetzt die Kurzversion: Ich habe überlegt: Wenn ich jetzt ein zweites Soloalbum mache, soll das mehr wie eine Band klingen. Die hatte ich ja beim ersten Album noch gar nicht, also die richtige Band, das Racing Team, und es soll mehr in Richtung ‚OK‘ gehen. Also ohne das jetzt noch mal zu kopieren, und ich finde, das hab ich über weite Strecken geschafft.

Das denke ich auch. Die Foo Fighters haben dich beim Schaffungsprozess beeinflusst, würde ich sage.

Nicht nur Foo Fighters. Was war noch sehr viel? Also es sind so einige Bands, Weezer natürlich. Na ja, die Parallelen sind ja auch irgendwie nicht von der Hand zu weisen. Was ich tatsächlich mag bei den Foo Fighters … Also ich traue mich jetzt seit diesem Album auch, Stücke zu schreiben, die eigentlich nicht funktionieren. Weil sie nicht die herkömmlichen Songstrukturen haben. Und das machen die Foo Fighters auch häufiger, das finde ich ganz geil. Der hat halt leider eine andere Stimme als ich. Er kann brüllen, das kann ich immer noch nicht so richtig. Also kann ich auch, aber dann bin ich heiser, haha.

Dein Gesang ist viel besser geworden, ohne jetzt hier Komplimente machen zu wollen.

Der hatte sich aber schon bei der vorletzten Ärzte-Tour total gebessert. Da habe ich selber gemerkt, dass ich jetzt anfange zu singen. Ernsthaft. Haha! Weiß ich jetzt auch nicht, wie das kam.

Ohne Gesangsunterricht und all das?

Ich hatte ja mal vor Jahren Gesangsunterricht, vor vielen. Da ging es aber eher darum, dass ich immer nach zwei Konzerten heiser war. Da hat man mir dann beigebracht, wie ich halt nicht heiser werde. Aber so richtig… Ich hab mich nie getraut, totalen Ausdruck reinzulegen, also es gibt ein paar Ausnahmen, haha, aber grundsätzlich war ich immer schüchtern.

Ist Farin Urlaub ernster geworden?

Farin Urlaub
Foto: Nina Schwabe

Verglichen mit deinem Debüt ist das neue Album sehr ernst geworden. In vergangenen Interviews hast du noch betont, über ernste Dinge nicht singen zu wollen.

Ja, ich darf doch auch mal älter werden, oder? Jetzt gibt es halt ernste Sachen wie Selbstmord, Tod und so. Haha!

Interessieren dich Plattenkritiken? Wie zum Beispiel: „Nicht so gut wie Die Ärzte, aber er erleichtert den Fans die Wartezeit auf das nächste Ärzte-Album …“ oder „der Berufsjugendliche …“ etc.

Ganz ehrlich? Klingt jetzt super arrogant, aber da kann ich so was von drüber stehen. Was mich wirklich getroffen hätte, wenn sich das Album schlecht verkauft hätte und die Leute, die es gekauft haben, dann geschrieben hätten: „Ist echt scheiße.“ Und das Gegenteil war der Fall. Also es hat sich überraschend gut verkauft, und verkauft sich immer noch. Es ist schon so, dass die Leute sagen: „Du hast in meine Seele geguckt“.

Das ist tatsächlich anders, als wenn Die Ärzte solche Texte schreiben. Es berührt die Leute offenbar viel mehr und das hat auch mich selbst beim Singen und beim Schreiben mehr berührt. Das finde ich sehr schön. Bei manchen Stücken haben die Leute echt Tränen in den Augen, also die, die ich sehe. Das ist schon schön. Das heißt jetzt nicht, komm zu Farin Urlaub und heul dich mal so richtig aus, haha. So soll’s nie werden!

Aber das finde ich wichtiger, als wenn ich die Erwartungen eines Kritikers nicht erfülle. Die sind oft nicht so flexibel, die haben sich mit dem ersten Album abgefunden, jetzt kommt das zweite, und ich wage es, ganz anders zu sein. Das kann ja nur scheiße sein.

„Unsichtbar“ fällt allerdings ein bisschen aus dem Rahmen, einfach vom Sound her.

Ja, finde ich im Nachhinein auch. Das einzige Stück auf dem Album, wo ich mit dem Mix nicht richtig glücklich bin. Das hat nicht hundertprozentig hingepasst. Das habe ich auch dreimal aufgenommen. Das ist ein Nachteil, wenn man ein Stück mal live gespielt hat. Ich hab immer diesen Live-Sound im Ohr gehabt und konnte den aber alleine im Studio nicht imitieren, dazu muss ich ja echt alles gleichzeitig spielen. Live klingt es aber wieder so, wie es eigentlich klingen sollte. War ein Fehler, mache ich wahrscheinlich nicht noch mal, dass ich ein Stück erst ein Jahr lang live spiele und dann versuche, es aufzunehmen.

Nach welchen Kriterien entscheidest du, welcher Song ein Die Ärzte-Song und welcher ein Solo-Song wird?

Geschmack. Aber ich weiß es schon von vornherein. Da redet mir auch keiner rein. Ich
hab mal einen Fehler gemacht: ‚Die Instrumente des Orchesters‘ hätte ich super gerne mit dem Racing Team gespielt, muss ich echt sagen. Aber da war noch nicht abzusehen, dass ich mal ein Soloalbum mache. Das ist wirklich das einzige Stück, wo ich sage: Fuck!

Leihen ist auch nicht drin, denke ich mal?

Nee, da gibt es eine ganz strikte Trennung. Das geht nicht. Wenn ich damit anfange, dann würden die Leute wirklich irgendwann anfangen mit Ärzte-Rufen. Und das will ich gar nicht. Gestern gab es einen einzigen Zwischenruf, den ich gehört habe.

Andersrum wäre es wahrscheinlich schlimmer, aber ich verstehe, was du meinst.

Ja, dann würde ich sofort aus der Band fliegen, haha.

Meine Kolleginnen und Kollegen waren bislang mehr an deiner Person, als an deinem Album interessiert, war das enttäuschend?

Das Musikexpress-Ding fand ich zum Beispiel völlig überflüssig, war ein bisschen albern. Es gab ein paar, aber die waren dann in irgendeiner Stadtzeitung in Bremen oder so was. Das ist mir auch erst hinterher aufgefallen – offenbar war ich für die Leute als Promi interessant und nicht dadurch, dass ich ein zweites Soloalbum gemacht habe. Die wollten mir dann halt so Promi-Fragen stellen. Fand ich auch merkwürdig. Ich glaube wirklich, die sind davon ausgegangen, dass es sowieso keinen interessiert und wenn, dann nur im Zusammenhang mit den Ärzten. Sie wissen leider, wenn da Farin Urlaub draufsteht, verkaufen sie mehr Zeitschriften. Deswegen müssen sie mich irgendwie drin haben.

Wie du zu sagen pflegst: Sie brauchen dein Gesicht.

Genau! Das ist jetzt keine Arroganz von mir, das hat mir unsere Promoterin mal gesagt. Ich hab mich auch gewundert, dass einige Zeitungen ein Interview mit mir wollen. Letztendlich find ich es nicht so schlimm. Stücke erklären… das ist ja auch doof. Insgesamt hat es ja trotzdem funktioniert, auch wenn sie es alle scheiße fanden. Na ja, nicht alle, aber schon viele, hehe

Wenn du zurückschaust: Wären wir jemals in den Genuss deiner Soloalben gekommen, wenn Bela dich 1999 im MTV-Interview nicht unter Zugzwang gesetzt hätte?

Wahrscheinlich nicht. Aber ganz sicher bin ich nicht. Es hat mich schon ziemlich lange frustriert, dass ich so viele Stücke habe, die einfach nie rauskommen. Das suche ich mir ja gar nicht mal so sehr aus, die fallen mir halt einfach ein. Das muss irgendwie raus. Vielleicht hätte ich dann irgendwann so eine Fünffach-Box gemacht: ‚The Unreleased Tapes‘.

So ist es mir schon lieber, außerdem toure ich halt unheimlich gerne, und Die Ärzte touren für meinen Geschmack nicht genug. Und jetzt kann ich schon sagen, dass das Racing Team für meinen Geschmack nicht genug tourt, hehe. Das liegt aber auch an den Zuschauerzahlen – wir können nicht mehr spielen. Wenn jetzt die Tour vorbei ist, haben es auch alle gesehen, die es sehen wollten.

Ist es nicht wie bei den Ärzten, dass viele Fans mehrfach zu Konzerten kommen?

Gar nicht. Ich war wirklich überrascht. Ich bin eigentlich auch davon ausgegangen, ich kenne das ja von den Ärzten. Ich habe gestern nach dem dritten Hamburg-Tag insgesamt mal gefragt: Wer war bei der zweiten und ersten Show schon da? Da haben sich, ich glaube, 25 Leute gemeldet. Ups, ich hab ehrlich gesagt, wie immer mit der Hälfte gerechnet.

Und jetzt folgt ein Farin Urlaub Racing TeamLivealbum?

Ja! Das haben wir relativ spontan entschlossen. Kurz vor der Tour haben wir darüber geredet. Klingt natürlich erstmal nach einem totalen Rip-Off. Es gibt ja erst zwei Alben und jetzt schon ein Livealbum … Die Sache ist halt die, dass die Stücke live einfach anders klingen. Die sind ganz anders arrangiert. Beim zweiten Album gar nicht mehr so, aber alle Stücke vom ersten Album haben wir echt umgekrempelt. Das ist ein ganz schönes Dokument – mehr soll es auch nicht sein. Daher kommt auch nicht zum Weihnachtsgeschäft raus. Es wird irgendwann nächstes Jahr erscheinen. Ich habe auch noch keinen Titel dafür.

Und was das nächste Album betrifft – da kann ich euch jetzt schon sagen, dass ich das mit der Band aufnehmen werde, nicht mehr alleine. Wir sind jetzt auch so richtig eingespielt.

Wir sind gespannt. Farin Urlaub, vielen Dank für deine Zeit und viel Spaß heute Abend.

Ich habe zu danken. Bis später.


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